Nachweis nicht zu vernachlässigen!
Verfasser: Dipl.-Ing. Bernhard Schlötzer, München
Einleitung: Beherrschen Planung und Ausführung auch diese Kriterien bei Ziegelmauerwerk? Aussenwände als Gebäudehülle beheizter Wohn- und Aufenthaltsräume unterliegen einer Vielzahl von Beanspruchungen. Neben der Gewährleistung der Standsicherheit durch ausreichende Tragfähigkeit im Einklang mit einbindenden Innenwänden, sowie den aufliegenden Decken sind vor allem äußere Einflüsse von Wichtigkeit: Aussenwände sind Einwirkungen wie Wärme, Kälte, Feuer, Sturm, Niederschlägen und Aussenlärm ausgesetzt und sollen gleichzeitig den Bewohnern sicheren Schutz vor diesen Einflussfaktoren bieten.
Neuerdings kommen Anforderungen aus neuen Normen hinzu: Winddichtheit (DIN V 4108-7) und Wärmebrückenvermeidung (EN ISO 10211-1 und 2)
Sonst noch was? Aussenwände beheizter Gebäude müssen auch noch Aufgaben aus dem Gebäudeinneren erfüllen. Dazu gehören Dampfdurchlässigkeit, Sorptions- und Wärmespeicherfähigkeit. Nach bevorstehender Energieeinsparverordnung (EnEV) muss künftig die Wärmespeicherfähigkeit aus Solarstrahlung berücksichtigt werden. Man bezeichnet diese Anforderung als „Sommerlichen Wärmeschutz". Dabei gewinnen besonders Innenbauteile, wie massive Ziegelwände und Decken enorm an Bedeutung. Bei ganzheitlicher Massivbauweise, üblichem Fensterflächenanteil und gegenwärtiger Qualität entsteht ein Verhältnis von speicherfähiger Masse von Aussen- zu Innenbauteilen wie ca. 1:5. Das heisst, dass der Planer und Konstrukteur bei der Projektierung nicht nur wegen des höheren Schallschutzes an schwere Ziegel für Innenwände, und ausreichend dicke Massivdecken denken sollte.
Dichtheit, Mindestluftwechsel Seit 50 Jahren wird die Winddichtheit bzw. Luftundurchlässigkeit eines beheizten Gebäudes gefordert. Bereits in der Normfassung von 1952 wurden in der DIN 4108 entsprechende Anforderungen formuliert. Die Herausgabe von DIN 4108-7 („Luftdichtheit von Bauteilen und Anschlüssen") erfolgte im Zusammenhang mit der Wärmeschutzverordnung, die bereits am 01. Januar 1995 in Kraft getreten ist, und war gleichzeitig ein Beitrag zur europäischen Normung DIN EN 13.829, Fassung 02/2001. Die am 13.07.2001 im Bundesrat verabschiedete Energieeinsparverordnung enthält in § 5 eindeutige Regelungen: „ Zu errichtende Gebäude sind so auszuführen, dass die wärmeübertragende Umfassungsfläche einschliesslich Fugen dauerhaft luftundurchlässig abgedichtet ist." Dabei muss die Klasse 2 der Fugendurchlässigkeit bis zu zwei Vollgeschossen und Klasse 3 bei mehr als zwei Geschossen nachgewiesen sein. Wird wahlweise der Nachweis der Dichtheit am gesamten Gebäude geführt, so darf der nach oben erwähnter DIN EN 13.829 bei einer Druckdifferenz zwischen Innen und Aussen von 50 Pa gemessene Druck – bezogen auf das beheizte Luftvolumen – bei Gebäuden ohne raumlufttechnische Anlagen 3 h-1 und mit raumlufttechnischen Anlagen 1,5 h-1 nicht überschreiten. Für diese Prüfung ist das sog. Blower-Door-Verfahren bekannt geworden. Beim Nachweisverfahren zur Ermittlung des Jahres-Heizwärmebedarfes kann der spezifische Lüftungswärmeverlust dann um 15 % günstiger in Ansatz gebracht werden, wenn die Dichtheit des gesamten Gebäudes mit diesem Blower-Door-Test nachgewiesen wird. Zu Mindestluftwechsel führt die Verordnung weiter aus: „Zu errichtende Gebäude sind so auszuführen, dass der zum Zweck der Gesundheit und Beheizung erforderliche Mindestluftwechsel sichergestellt ist. Werden dazu andere Lüftungseinrichtungen als Fenster verwandt, müssen diese einstellbar und leicht regulierbar sein". Im geschlossenem Zustand müssen sie ebenfalls der Klasse 2 bzw. 3 genügen. Solche kontrollierte Lüftungssysteme mit Wärmerückgewinnung haben sich besonders beim Anforderungsniveau „Niedrigenergiehaus" oder dem Wohneigentums-Förderprogramm der Bundesregierung bestens bewährt. So wie nach jetztiger WSVO gem. Absatz 1.6.3 eine Bonusregelung gewährt wird, kann dies bei in Kraft treten der EnEV nach Anhang 1, Ziffer 2.10 ebenfalls geschehen. Als Hersteller mit fachkompetenter Beratung sind z.B. LTM GmbH, Ulm und Vallox, Heinemann GmbH zu nennen. Luftdichtheitskonzept. Die gemauerte Ziegelwand selbst stellt kein Dichtheitsproblem dar, weil beidseitiger Nassputz für die Dichtheit sorgt. Enormer Handlungsbedarf besteht bei allen Fugen der Gebäudehülle deswegen, weil mit steigendem Wärmedämmstandard neben der Minimierung von Wärmebrücken vor allem der Verringerung der Lüftungswärmeverluste eine sehr grosse Bedeutung zukommt. Mit neuerdings verschärftem Wärmedämmstandard wachsen die Lüftungswärmeverluste relativ zu den Transmissionswärmeverlusten stark an. Bei Gebäuden mit Niedrigenergiehaus-Standard übersteigen schon heute beim WSVO-Nachweis die Lüftungswärmeverluste zum Teil sehr deutlich die Transmissionswärmeverluste.
Lüftungsverluste entstehen auf zwei Arten: Unkontrollierte Wärmeverluste infolge Luftundichtheiten in den Aussenbauteilen. Lüftungswärmeverluste über gezielte Lüftung zur Erreichung eines hygienischen Innenraumklimas. Verluste der ersten Art können durch sorgfältige Planung und gewissenhafte Ausführung durch Fachpersonal, und die der zweiten Art durch umsichtiges Nutzerverhalten minimiert werden. Wegen der immer grösser werdenden Bedeutung unkontrollierter Lüftungsvorgänge erster Art werden die drei wichtigsten Einflussfaktoren für Wärmeverluste aus Undichtheiten an der wärmeübertragenden Umfassungsfläche beheizter Gebäude wie folgt benannt:
A: Kräfte an der wärmeübertragenden Gebäudehülle infolge von Windeinfluss. Bei einem durch Wind angeströmten Gebäude bildet sich ein Differenzdruckfeld gegenüber dem statischen Druck der ungestörten Windströmung aus.
B: Kräfte an der wärmeübertragenden Gebäudehülle infolge von Temperaturunterschied zwischen innen und aussen. Die Dichte der Luft ändert sich in Abhängigkeit von Temperatur und Feuchtgehalt. Die Bauteile der Gebäudehülle grenzen unterschiedlich temperierte Luftmassen (innen-aussen) voneinander ab. Wegen der unterschiedlichen Dichten der warmen und kalten Luft entstehen nachweisbare Kräfte an der wärmetransportierenden Gebäudehülle.
C: Kräfte an der wärmeübetragenden Gebäudehülle infolge des Betriebes raumlufttechnischer Anlagen. Werden beheizte Gebäude mit derartigen Anlagen ausgerüstet, so können in deren Räumen sowohl Über- als auch Unterdruckverhältnisse entstehen. Verursacher können unterschiedliche Ventilatorenleistung, differenter Reibungsbeiwerte/Wirkungsgrade usw. sein. Neben diesen drei Einflussfaktoren, die sich gegenseitig abschwächen oder verstärkend auswirken können, sorgt zusätzlich die „ausgeführte Qualität" der Fuge bzw. der entstandenen Fehlstellen für zunehmenden Luftwechsel und damit für erhöhte Lüftungswärmeverluste.
Undichtheiten Fenster und Aussentüren Zur Vermeidung der häufigsten Undichtheiten der Fenster- und Ausstürenanschlüsse ist es zwingend notwendig, dass der Planer im frühen Stadium ein Dichtheitskonzept erstellt, das praktikable Massnahmen zur Ausführung von Luft- und Winddichtheit führt. Vor allem kommt es darauf an, dass die ausführenden Handwerker ebenfalls frühzeitig das Konzept kennenlernen, und ihnen bewusst gemacht wird, dass nach Planfertigstellung eine Überprüfung auf Dichtheit des Gebäudes vorgesehen ist. Die Ziegelindustrie hat sich ebenfalls pragmatisch mit der Optimierung wichtiger Anschlusspunkte an der Gebäudehülle befasst. Bei monolithischem Ziegelmauerwerk der üblichen Aussenwanddicken 240, 300 und 365 mm wird ein Innenanschlagziegel für Fenster und Aussentüren empfohlen. Der horizontale Anschlag wird durch Versatz der Ziegelflachstürze erreicht (Abbildung 1). Wärmebrücken. Bei allen beheizten Gebäuden treten besonders bei Anschlüssen unterschiedlicher Baustoffe und Bauteilen, bei denen die wärmedämmende Konstruktion durchdrungen oder durchstossen werden muss, erhöhte Wärmeverluste infolge Wärmebrückenwirkung auf. Die vorgegebene weitere Verschärfung durch die EnEV macht hochwärmedämmende Aussenwandkonstruktionen erforderlich. Die Ziegelindustrie ist hierauf vorbereitet und kann für die unterschiedlichsten Anforderungsnieveaus monlithische und wirtschaftliche Bauweisen anbieten. Dabei wird vorausgesetzt, dass der beidseitige Putzauftrag mit bewährten und abgestimmten Putzsystemen erfolgt. Wärmebrücken sind örtlich begrenzte Störungen in Bauteilen. Sie können bezüglich der Form linienförmig, punktförmig, aber auch flächig auftreten. Solche Störungen verursachen eine Abweichung der allseits bekannten Isothermen (Linien gleicher Temperatur) vom oberflächenparallelen Verlauf im ungestörten Bauteil und bewirken einen erhöhten Wärmestrom. Kommt es zu niedrigen Innenoberflächentemperaturen der Aussenwände, besteht die Gefahr der Tauwasserbildung.
Bei Wärmebrücken können 4 Varianten unterschieden werden:
A: Materialbedingte Wärmebrücken entstehen, wenn bei Aussenwandkonstruktionen ein Wechsel aus Baustoffen mit hoher und geringer Wärmeleitfähigkeit in Richtung des Wärmestromes vorhanden ist. Solche Wärmebrücken entstehen häufig bei Stabwerkskonstruktionen oder bei Verbindungsmitteln wie Schrauben und Metallprofile, wo sogar eine oder mehrere Schichten durchstossen werden.
B: Geometrisch bedingte Wärmebrücken entstehen nur dann, wenn die wärmeabgebende Oberfläche (z.B. Aussendecke) grösser ist als die wärmeaufnehmende Oberfläche (z.B. Innendecke). Diese Situation entsteht auch bei Aussentür- und Fensteranschlägen. Diese geometrischen Verzerrungen führen ebenfalls zu Verzerrungen der Isothermen. Oftmals treffen materialbedingte und geometrisch bedingte Gegebenheiten an einem Punkt zusammen.
C: Umgebungsbedingte Wärmebrücken entstehen bei Aussenbauteilen mit sehr unterschiedlichem Energieangebot (Heizkörper an Innenfläche der Aussenwand montiert) oder durch Möblierung, Gardinenbehang und abgehängte Deckenkonstruktionen. Bei Bauteilflächen, vor denen Heizkörper stehen kommt es regelmässig zu erhöhten Wärmeverlusten, die nach EnEV künftig vermieden werden müssen. Zu Tauwassergefährdung kann es aber nicht kommen.
D: Massestrombedingte Wärmebrücken entstehen, wenn durch Aussenbauteile (Wasser-, Abwasser)Leitungen geführt werden. Auch schlecht oder nichtabgedichtete Fugen führen zu erhöhtem Luftdurchsatz. Solche massestrombedingte Wärmebrücken der offenen Fugen bewirken, dass die durch Undichtheit entwichende warme Innenluft wieder durch rückströmende kalte Aussenluft ersetzt wird. Diese wird auf die erforderliche Innenlufttemperatur erwärmt. Bei grosser Temperaturdifferenz „ innen-aussen" können die offenen Fugenränder in der kalten Jahreszeit unterkühlt werden, so dass die Gefahr von Oberflächentauwasserbildung besteht. Die einströmende Kaltluft transportiert gleichzeitig reichlich Feuchte ins Innere der Aussenwandkonstruktion, so dass Tauwasser entsteht und Schäden an luftundichten Wandbauteilen die Folge sein können. Hochwärmedämmendes und beidseitig nass geputztes Mauerwerk kennt diese Art von Wärmebrücken nicht.
Den wärme- und feuchtetechnischen Folgen einer massestrombedingten Wärmebrückenwirkung kann wirksam nur durch ein Dichtheitskonzept vor Baubeginn und konsequente Ausführung mit erfahrenem Personal begegnet werden (wichtig bei Mehrschichtbauweise).
In jedem kompletten Ziegelsystem wird auch für Wärmebrücken im sensiblen Bereich von Fenster- und Aussentüren ein praktikables Sonderbauteil angeboten: und zwar ein weiterer hochwärmedämmender Anschlagziegel mit integrierter Wärmedämmung im Anschlagbereich. Gegenüber der heute üblich gewordenen stumpfen Laibung lässt sich Fenster- und Türstock vor dem Putzauftrag zweifach gegen Ziegelmauerwerk im Bereich der Anschlussfugen abdichten, der Holzrahmen wird dauerhaft vor Witterungseinflüssen geschützt und die Wärmedämmung im Anschlagbereich (geometrische Wärmebrücke) wird um mindestens 40 % erhöht (Abbildung 2). Auch horizontale Wärmebrücken an Fenster- und Türöffnungen mit üblicher lichter Weite werden mit wärmedämmenden Flachstürzen vermieden. Für besondere bzw. historische Fassaden werden Flach-, Rund-, Segment- und Spitzbogenstürze angeboten (Abbildungen 3, 4, 5 und 6). Ziegelflachstürze in wärmedämmender Ausführung bestehen aus sog. Ziegelschalen, Leichtbeton LB 15 , einem durchgehenden Polystyroldämmstreifen und der statisch erforderlichen Zugbewehrung. Bei monolithischer Bauweise und üblicher Wanddicke s = 365 mm ergibt sich der U-Wert mit ca. 0,40 W/m2K.
Umsetzung Dichtheit und Wärmebrückenreduzierung ist nicht alleine Angelegenheit des Ausbaugewerbes. Auch die Gewerke Beton- und Mauerwerksbau, Zimmerer, Spengler und Dachdecker müssen künftig intensiver als bisher bereits in der Ausschreibung genaue Details zum Dichtheitskonzept eines Bauvorhabens berücksichtigen. Ein Rohbau ohne Wärmebrücken ist heute bei monolithischer Bauweise jedoch Stand der Technik und muss lediglich im EnEV-Nachweisverfahren belegt werden. Bei seriöser Bearbeitung eines Leistungsverzeichnisses für beheizte Wohngebäude wird künftig jeder Kalkulator der vorbezeichneten Gewerke nicht umhin kommen, die beschriebenen Massnahmen zur Erlangung von Dichtheit in sein Angebot preislich zu integrieren. Geschieht dies nicht, muss davon ausgegangen werden, dass eine abschliessende Dichtheitsprüfung vor Bauwerksübergabe unter Umständen Leckagen nachweist. Aus vorliegenden Erfahrungen ist es oft zeit- und kostenträchtig, solche Fehlstellen aufzuzeigen und dem betroffenen Gewerk zuzuordnen. Darüber hinaus verursachen nachträgliche Sanierungsarbeiten unverhältnismässig hohe Kosten, weil oftmals fertiggestellte Leistungen der Ausbaugewerke entfernt werden müssen, um an Fehlstellen zu gelangen. Für alle am Baugeschehen beteiligten Unternehmer ist es deshalb ratsam, diese Leistungen so anzubieten, dass handwerklich solide und fachgerechte Ausführung möglich wird. Damit steht aber auch fest, dass ein höherer Qualitätsstandard – bedingt durch eine schärfere Verordnung – auch einen höheren Preis für ein solches Bauwerk rechtfertigt.
Zusammenfassung Wärmebrückenbetrachtungen, Dichtheit bzw. Luftundurchlässigkeit und der daraus resultierende Mindestluftwechsel haben beim Nachweis der Energieeinsparverordnung hohen Stellenwert. Neben Mindestanforderungen stehen auch alternative Nachweisverfahren wie z.B. die Dichtheitsprüfung des gesamten Gebäudes zur Verfügung. Wird von dieser Gelegenheit Gebrauch gemacht, so darf der nachzuweisende spezifische Lüftungswärmeverlust mit einem Bonus von bis zu 15 % versehen werden. Die rechnerische Erfassung von Wärmebrücken erfordert einen grossen Aufwand und wäre nur mit Hilfe der Methode der finiten Elemente möglich. Deshalb stehen heute leistungsfähige PC-Programme zur Lösung zweidimensionaler Wärmebrücken zur Verfügung. Ergänzend hierzu sind Fachveröffentlichungen zu nutzen, in denen numerisch ermittelte Werte für Wärmebrückensituationen so dargestellt sind, dass sie schnell und ohne Aufwand Hilfestellung bei der Entwicklung wärmetechnisch günstiger Anschlusspunkte geben können. In der Ausführungsphase ist es sinnvoll alle Möglichkeiten an Sonderbauteilen innerhalb einer kompletten Produktpalette, wie die der Ziegelindustrie, zu nutzen. Damit kann materialkonform und wirtschaftlich die bevorstehende Verordnung erfüllt werden können.
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